Der unsichtbare Obstgarten...

Ein im Herzen eines Apfels versteckter Kern ist ein unsichtbarer Obstgarten. Doch wenn dieser Kern auf felsigen Boden fällt, wird nichts daraus hervorgehen. (Khalil Gibran)

 



Jedes Jahr im Frühjahr erfreuen die blühenden Obstbäumen unser Herz. Es ist so bewegend, wie nach dem Winter das Leben mit solcher Kraft und Fülle wieder zurückkehrt.

 

Immer mal wieder hat man uns angesprochen, was dieser Satz von Khalil Gibran, einem weltbekannten Autor, Maler und Dichter aus dem Libanon, wohl im Zusammenhang mit der Arbeit und dem Einsatz für geflüchtete Menschen zu tun haben könnte.

Hier nun ein paar Gedanken dazu.

 

Man kann die Menschen, die das Schicksal zu uns gebracht hat, aus ganz verschiedenen Perspektiven, mit unterschiedlichen Brillen, sehen.

Manchmal ist man sich seiner eigenen "Brille" oder Sichtweise gar nicht bewußt. Manchmal denkt man auch, die eigene Sichtweise wäre die einzig mögliche.

Eine Sichtweise kann sein, dass man die geflüchteten Menschen in erster Linie als Belastung, vielleicht sogar als Bedrohung empfindet.
Und wenn man diese Sichtweise hat, dann wird man in seinem Bekanntenkreis und in den Medien höchstwahrscheinlich immer wieder auf Berichte stoßen, die diese Sichtweise bestätigen.

 

Es gibt aber auch noch eine andere, mögliche,  Sichtweise.

Man kann Menschen auch vom "Potential" her sehen, also die Möglichkeiten, die in ihnen sind.

So verstehe ich das Bild von dem Apfelkern, in dem - bei richtiger Pflege - wirklich ein ganzer Obstgarten verborgen ist  und Wirklichkeit werden kann.

Ist diese Sichtweise des Menschen, der Menschen,  "als Möglichkeit, als Potential" naiv?

Ist es die Sichtweise eines "naiven Gutmenschen", der nicht weiß, dass in den Menschen auch die Möglichkeit zum Negativen stecken kann?

Obwohl ich mir der möglichen menschlichen Abgründe durchaus bewusst bin, halte dennoch diese Perspektive für die einzige gesunde Sichtweise. 

 

Stellen wir uns - ganz kurz nur - das Gegenteil vor.
Stellen wir uns vor, ein neugeborenes Kind, würde nicht als Möglichkeit, als ein Wunder, gesehen - sondern nur als Belastung.

Wenn dies mit Worten oder auch mit Taten, oder auch nur in Gedanken, dem Kind im Leben vermittelt wird, dann wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit große Schwierigkeiten in seinem ganzen Leben haben.

Wir Menschen sind - ob wir wollen oder nicht - als soziale Wesen geboren und angelegt und wir brauchen diese "Grundakzeptanz" für unsere gesunde Entwicklung.

Was für ein Kind gilt, gilt für uns alle!

Deswegen - zurück im Bild von Khalil Gibran und dem "versteckten Obstgarten", sind wir - als die Bevölkerung von Winnenden und Umgebung, als die Menschen, die nicht fliehen mussten,
für den "Boden des Obstgarten" verantwortlich.

Wie immer man dieser Verantwortung gerecht wird,
auf welche Art und Weise man diese Verantwortung umsetzt, das kann wirklich sehr unterschiedlich aussehen.

Aber eines geht nicht:
Man kann nicht einfach nur eine "unbeteiligte Beobachter-Position" einnehmen und meinen, man hätte dann mit allem nichts zu tun.

Auch wer nichts tut, hat sich für etwas entschieden! 


Und auch er - oder sie - trägt einen Teil der Verantwortung.
Wie sich unser Dorf, unsere Stadt, unser Land - in diesen besonders herausfordernden Zeiten - entwickeln wird.

Das Erstaunlich aber ist, wenn man sich einmal zu der "Potential-Sichtweise" entschlossen hat, nicht naiv, nicht unvorsichtig - aber dennoch mit einer positiven Grundannahme - dann kann man damit auch unglaublich schöne, bereichernde Begegnungen machen. 

 

Zu diesen schönen und bereichernden Begegnungen möchten wir einladen!